Zusammenfassung des Urteils ABV 2014/4: Versicherungsgericht
Die Sozialen Dienste St. Gallen haben die Bevorschussung der Unterhaltsbeiträge für die Mutter von A. eingestellt, nachdem A. volljährig wurde. A. und ihre Rechtsvertreterin fordern die Fortführung der Bevorschussung, da die Unterhaltsvereinbarung bis zum Abschluss einer Erstausbildung gelten soll. Die Verwaltung lehnt den Antrag ab und argumentiert, dass die Unterhaltspflicht nur bis zur Mündigkeit bestehe. Nach verschiedenen rechtlichen Auseinandersetzungen wird entschieden, dass A. Anspruch auf elterlichen Unterhalt bis zum Abschluss ihrer Erstausbildung hat. Der Rekurs wird gutgeheissen, die angefochtene Verfügung aufgehoben, und keine Gerichtskosten erhoben. Die Rekurrentinnen haben Anspruch auf eine Parteientschädigung in Höhe von Fr. 2'500.-.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | ABV 2014/4 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 01.04.2015 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 2 Abs. 1 GIVU. Alimentenbevorschussung. Umstritten, ob die Scheidungskonvention einen Unterhaltstitel für die Zeit nach Erlangung der Volljährigkeit verschafft. Vorliegend bejaht, weshalb die Alimentenbevorschussung grundsätzlich auch während der Ausbildung zu gewähren ist (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 1. April 2015, ABV 2014/4).Präsidentin Lisbeth Mattle Frei, Versicherungsrichterinnen Christiane Gallati Schneiderund Marie-Theres Rüegg Haltinner; Gerichtsschreiber Jürg SchutzbachEntscheid vom 1. April 2015in Sachen1. A. ,2. B. ,Rekurrentinnen,beide vertreten durch Rechtsanwältin Hannelore Fuchs, Kirchstrasse 27, |
Schlagwörter: | Unterhalt; Unterhalts; Mündigkeit; Quot; Unterhaltspflicht; Ausbildung; Scheidung; Recht; Rekurrentin; Regel; Eltern; Vorinstanz; Regelung; Volljährigkeit; Erstausbildung; Kinder; Abschluss; Scheidungskonvention; Kindes; Mündigkeitsalter; Formulierung; Unterhaltsbeiträge; Rekurrentinnen; Entscheid; Rekurs; Mündigkeitsalters |
Rechtsnorm: | Art. 133 ZGB ;Art. 276 ZGB ;Art. 277 ZGB ;Art. 287 ZGB ;Art. 29 ArG ; |
Referenz BGE: | 129 III 375; 139 III 401; |
Kommentar: | - |
A.
Die Sozialen Dienste St. Gallen richteten der Mutter von A. ab 1. April 2009 gestützt auf die Scheidungskonvention vom 21. April 2003 (Scheidungsurteil vom 25. April 2003) Vorschüsse für elterliche Unterhaltsbeiträge aus. Mit (Revisions-)Verfügung vom 16. Juli 2014 stellte sie die Bevorschussung per 31. Juli 2014 ein mit der Begründung, die Unterhaltspflicht des Vaters dauere bis zur Volljährigkeit von A, längstens bis zum Abschluss einer Erstausbildung. Nachdem A. im Juli 2014 volljährig geworden sei, werde demzufolge die Bevorschussung eingestellt (act. G 1.1).
Gegen diese Verfügung richtet sich der vorliegende Rekurs vom 30. Juli 2014 mit dem Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Verfügung und Fortführung der Bevorschussung. Die Scheidungskonvention der Eltern halte fest, dass die
Unterhaltsbeiträge "bis zur Mündigkeit, längstens bis zum Abschluss der Erstausbildung" geschuldet seien. Die Auslegung der Vorinstanz, wonach es sich bei dieser Regelung nicht um eine Verlängerungs- sondern um eine Verkürzungsklausel handle, widerspreche Treu und Glauben. Angesichts des Schulsystems und der modernen Bildungsansprüche sei auszuschliessen, dass jemand eine Ausbildung noch vor Erreichen der Volljährigkeit abschliessen könne. Die Interpretation der Vorinstanz sei somit willkürlich (act. G 1).
Mit Vernehmlassung vom 11. September 2014 beantragt die Verwaltung Abweisung der Beschwerde. Die zur Diskussion stehende Unterhaltsklausel sei auch schon vor der Senkung des Mündigkeitsalters von 20 auf 18 Jahre verwendet worden. Damals sei mit dieser Klausel die Unterhaltspflicht nur bis zur Mündigkeit begründet worden, sofern die Erstausbildung nicht schon vor der Mündigkeit abgeschlossen worden sei. Wenn nun dieselbe Klausel die Unterhaltspflicht unter neuem Recht über die Mündigkeit hinaus regeln würde, wäre dies unverständlich und stossend. Es wäre nicht nachvollziehbar, weshalb derselbe Satzteil (…längstens bis zum…), der vor der Senkung des Mündigkeitsalters die Unterhaltspflicht verkürzt habe, diese danach verlängern sollte. Nachdem die Eltern die Unterhaltspflicht nicht über die Mündigkeit der Kinder hinaus geregelt hätten, sei die Alimentenbevorschussung zu Recht bei Erreichen der Volljährigkeit der Rekurrentin 1 eingestellt worden (act. G 3).
Mit Replik vom 18. Oktober 2014 macht die Rechtsvertreterin der Rekurrentinnen geltend, es könne nicht allein auf das Wort "längstens" abgestellt und alle übrigen Umstände ausser Acht gelassen werden. Vielmehr müsse die Scheidungskonvention ausgelegt werden. Dabei falle in Betracht, dass der Vater der Kinder nach der Ausbildung zum technischen Kaufmann verschiedene Zusatzausbildungen im Managementbereich absolviert habe. Die Mutter entstamme einer Akademikerfamilie und habe selber nach der Matura verschiedene Zusatzausbildungen gemacht und den Titel einer eidgenössisch diplomierten Betriebswirtschafterin HS erworben. Die Ausbildung beider Eltern lasse einen starken Bildungswillen und beruflichen Ehrgeiz erkennen. Es sei deshalb anzunehmen, dass sie bereit seien, sich für die berufliche Ausbildung der Kinder langfristig zu verpflichten. Die Kinder hätten denn auch tatsächlich die Hochschullaufbahn eingeschlagen bzw. fest geplant. So studiere die ältere Schwester Architektur an der ETH Zürich und die Rekurrentin 1 werde 2015 die
Wirtschaftsmittelschule beenden und danach an der FHS St. Gallen das Studium "Soziale Arbeit" aufnehmen. Es sei auszuschliessen, dass die Eltern den Töchtern eine berufliche "Schnellbleiche" hätten zumuten wollen. Dass zusätzlich zur umstrittenen Klausel noch auf Art. 277 Abs. 2 ZGB verwiesen werde, sei auch bei einer Vereinbarung, die über die Mündigkeit hinaus Gültigkeit habe, sinnvoll (act. G 5).
Mit Duplik vom 1. Dezember 2014 führt die Vorinstanz aus, der Wortlaut der Konvention sei keineswegs unklar. Es bestehe kein Zweifel daran, dass der Satzteil, der das Wort "längstens" enthalte, stets für eine Verkürzung stehe. Die Sozialen Dienste bezweifelten nicht, dass die Eltern ihren Kindern eine ihren Fähigkeiten und Neigungen entsprechende Ausbildung zukommen lassen wollten und wollen. Die vorliegend nötige neue Festlegung der Unterhaltspflicht ab der Mündigkeit stehe diesem Wunsch nicht entgegen. Es treffe schliesslich nicht zu, dass unser Schulsystem keine Möglichkeiten biete, noch vor der Volljährigkeit einen Ausbildungsabschluss zu erreichen (act. G 9).
Erwägungen:
1.
Die Rechtsvertreterin richtete ihren Rekurs zunächst an den Stadtrat C. . Obwohl Art. 40 Abs. 2 VRP i.V.m. Art. 1 Abs. 1 des städtischen Reglements einen Sprungrekurs an das Versicherungsgericht zulasse, liege es bei den Streitparteien zu entscheiden, ob sie diese Abkürzung wählen den regulären Instanzenzug gemäss Art. 40 Abs. 1 VRP einhalten wollten. Den Rekurrentinnen liege daran, den Rechtsstandpunkt des Stadtrates zu erfahren (act. G 1). Der Rechtskonsulent der Stadt C. überwies die Eingabe zuständigkeitshalber mit Schreiben vom 20. August 2014 an das Versicherungsgericht (act. G 0).
2.
Gemäss Art. 2 Abs. 1 GIVU hat das Kind für die Dauer der Unterhaltspflicht der Eltern, längstens bis zum vollendeten 25. Altersjahr, Anspruch auf Vorschüsse für elterliche Unterhaltsbeiträge, wenn diese in einem vollstreckbaren Urteil in einem Unterhaltsvertrag nach Art. 287 ZGB festgesetzt sind und trotz angemessener Inkassoversuche nicht rechtzeitig eingehen.
Die Dauer des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch des Kindes wird in Art. 277 ZGB geregelt. Nach dessen Abs. 2 haben die Eltern auch nach Erreichen der Volljährigkeit des Kindes, soweit ihnen dies nach den gesamten Umständen zugemutet werden darf, für dessen Unterhalt aufzukommen, bis eine angemessene Ausbildung ordentlicherweise abgeschlossen werden kann. Bei der Wahl der Ausbildung ist sowohl den Fähigkeiten des Kindes als auch den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (elterliche Leistungsfähigkeit, allfällige Stipendienleistungen) Rechnung zu tragen (Peter Breitschmid, Basler Kommentar, ZGB I, 5. Aufl., Rz 9 zu Art. 277). Dieser Volljährigenunterhalt kann heute bzw. seit der Neuregelung anlässlich der Herabsetzung des Mündigkeitsalters auf 18 Jahre nicht mehr ohne Weiteres als blosse Ausnahme gelten (vgl. BGE 129 III 375 ff.). Eine Ehescheidung kann zwar für die Art und den Umfang der Unterhaltspflicht von Bedeutung sein, nicht dagegen für die Unterhaltspflicht als solche (H. Hausheer/ A. Spycher [Hrsg.], Handbuch des Unterhaltsrechts, 2. Aufl., S. 388 Ziff. 6.44). Die Unterhaltspflicht der Eltern dauert somit auch nach der Scheidung fort. Sodann handelt es sich bei der Regelung des Art. 277 Abs. 2 ZGB nicht um dispositives, sondern um zwingendes Recht.
3.
Vorliegend macht die Vorinstanz geltend, für die Unterhaltspflicht über das Mündigkeitsalter der Rekurrentin 1 hinaus bestehe kein Rechtstitel. So laute die massgebliche Unterhaltsklausel gemäss Entscheid des Bezirksgerichts St. Gallen vom
25. April 2003: "…anschliessend [ab dem 13. Altersjahr] Fr. 900.-- bis zur Mündigkeit, längstens bis zum Abschluss einer Erstausbildung, zuzüglich allfällige Kinderzulagen." Darüber hinaus werde Art. 277 Abs. 2 ZGB ausdrücklich vorbehalten. Diese Unterhaltsklausel sei auch schon vor der Senkung des Mündigkeitsalters von 20 auf 18 Jahre per 1. Januar 1996 verwendet worden. Damals sei mit dieser Formulierung die Unterhaltspflicht nur bis zur Mündigkeit begründet worden, sofern nicht die Erstausbildung schon vor der Mündigkeit abgeschlossen worden sei. Dazu beruft sich die Vorinstanz auf BVR 2001, S. 531 f. Nach diesem altrechtlichen Entscheid habe der Scheidungsrichter bei der Regelung des Unterhalts die Schranken der Mündigkeit zu beachten gehabt und sei nur ausnahmsweise befugt gewesen, Unterhaltsbeiträge über die Mündigkeit des Kindes hinaus festzusetzen. Die Voraussetzungen für eine solche Ausnahme seien im Wesentlichen dann erfüllt gewesen, wenn das
unterhaltsberechtigte Kind im Zeitpunkt des Scheidungsurteils kurz vor der Mündigkeit gestanden habe schon während des Scheidungsverfahrens mündig geworden sei, bereits in Ausbildung gestanden habe und deren Dauer, die klarerweise über das Scheidungsverfahren hinausging, bestimmbar gewesen sei. Es sei nun stossend, wenn dieselbe Unterhaltsklausel, die unter altem Recht den Unterhalt bis zur Mündigkeit begrenzt habe, unter neuem Recht die Unterhaltspflicht über die Mündigkeit hinaus regeln würde. Es wäre nicht nachvollziehbar, weshalb derselbe Satzteil (…"längstens bis zum..."), der vor der Senkung des Mündigkeitsalters die Unterhaltspflicht verkürzt habe, diese nunmehr verlängern sollte.
Diese Argumentation scheitert bereits daran, dass im erwähnten Entscheid gar keine solche Formulierung verwendet wurde. Vielmehr hatte das Scheidungsgericht in jenem Fall gerade keine Anordnung über die Dauer der Unterhaltspflicht getroffen. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz führte das Berner Verwaltungsgericht zudem aus, dass der Vorbehalt von Art. 277 Abs. 2 ZGB "in der Regel" als Verpflichtung zur fortgesetzten Unterhaltszahlung zu verstehen sei, schränkte dann allerdings gleich wieder ein, dass dies "zumindest dann" (oder nur dann?) gelte, wenn im Urteilszeitpunkt absehbar sei, dass die Ausbildung über das Mündigkeitsalter hinaus fortdauern würde, was jedoch - angesichts des Alters des Kindes von knapp sieben Jahren - nicht der Fall sei. Wie es sich mit dieser altrechtlichen Regelung verhält, ist vorliegend jedoch nicht von Belang. Wie auch die Vorinstanz anerkennt, kann nach der seit der Senkung des Mündigkeitsalters auf 18 Jahre bestehenden Regelung des Art. 133 Abs. 1 Satz 2 ZGB (vormals Art. 156 Abs. 2 aZGB; seit 1. Juli 2014: Art. 133 Abs. 3 ZGB) der Unterhalt auch auf einen Zeitraum nach Erlangung der Mündigkeit festgelegt werden. Zwar steht die Literatur dieser Bestimmung teilweise kritisch gegenüber (vgl. etwa Peter Breitschmid, Basler Kommentar, ZGB I, 5. Aufl., Rz 22 zu Art. 133; Cyrill Hegnauer, Berner Kommentar, Band II, Rz 42 ff. zu Art. 279/280 in Bezug auf die Klagemöglichkeit bzw. Rechtsöffnung). Das Bundesgericht hat jedoch in neueren Entscheiden festgestellt, dass auch bei - im Scheidungszeitpunkt - kleineren Kindern gestützt auf die genannte Bestimmung eine Regelung des zukünftigen (nur möglichen) Mündigenunterhalts getroffen werden könne und solle. Eine andere Interpretation würde Art. 133 Abs. 1 Satz 2 ZGB jede Anwendung ausserhalb der liquiden Fälle versagen (priverait de toute application). Begründet wird dies im Wesentlichen damit, dass nicht - wie im alten Recht - das "Kind" den Mündigenunterhalt verlangen und
gegebenenfalls einklagen, sondern dass der verpflichtete Elternteil gegebenenfalls die Unzumutbarkeit belegen solle (Entscheid des Bundesgerichts vom 1. Juni 2011 [5A_18/2011] E. 5.1.2; BGE 139 III 401 E. 3.2.2). Gerade weil dem verpflichteten Elternteil nach wie vor die Berufung auf die Unzumutbarkeit gemäss Art. 277 Abs. 2 ZGB offen steht, ist der entsprechende Vorbehalt in der Scheidungskonvention nicht überflüssig und kein Indiz dafür, dass die fragliche Unterhaltsregelung nur als Verkürzung des Anspruchs verstanden werden kann.
Die Vorinstanz vermag sodann auch aus der Berufung auf den Entscheid des Bundesgerichts 5A_390/2012 vom 21. Januar 2013 nichts zu ihren Gunsten abzuleiten. Sie macht geltend, in jenem Fall sei eine der vorliegenden Unterhaltsregelung vergleichbare Formulierung der Dauer der Unterhaltspflicht gewählt worden. Zwar hat das Bundesgericht tatsächlich die Formulierung der dortigen ersten Instanz ("bis zur Mündigkeit der Kinder, längstens jedoch bis zum Eintritt eines jeden Kindes in die volle Erwerbstätigkeit") dahingehend interpretiert, dass die Unterhaltspflicht erlösche, wenn ein Kind bereits vor Erreichen der Mündigkeit voll erwerbstätig sei. Gleichzeitig hat es ausgeführt, dass diese Formulierung der vorinstanzlichen entspreche ("Dieser Unterhaltsbeitrag wird bis zur wirtschaftlichen Selbstständigkeit eines jeden Kindes, längstens jedoch bis zu dessen Mündigkeit, geschuldet"). Abgesehen davon, dass es nicht sinnvoll erscheint, anhand von Unterhaltsregelungen in anderen Fällen bzw. anderen Verhältnissen - gewissermassen mathematisch - auf die vorliegenden Verhältnisse zu schliessen, erscheinen die bundesgerichtlichen Ausführungen im zitierten Entscheid wenig überzeugend. So deklarierte das Bundesgericht ohne Begründung, die im Wortlaut klare vorinstanzliche Regelung entspreche der weniger klaren, interpretationsbedürftigen Regelung der ersten Instanz. Eine Auseinandersetzung mit dem Wortlaut der hier interessierenden erstinstanzlichen Formulierung hat ebenfalls nicht stattgefunden. Im Übrigen besteht tatsächlich ein Unterschied darin, ob das "Kind" lediglich die Ausbildung beendet hat aber bereits erwerbstätig ist. Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass die von der Vorinstanz vorgebrachten Einwände einer Interpretation der Scheidungskonvention, wie sie durch die Rekurrentinnen vorgenommen wird, nicht entgegen stehen. Zu klären bleibt noch, ob die fragliche Unterhaltsregelung tatsächlich im Sinn der Rekurrentinnen zu verstehen ist.
Mit den Rekurrentinnen ist zunächst festzustellen, dass die fragliche Formulierung des Unterhaltsanspruchs ("…..anschliessend Fr. 900.-- bis zur Mündigkeit, längstens bis zum Abschluss einer Erstausbildung, zuzüglich allfällige Kinderzulagen.") durchaus dahingehend verstanden werden kann, dass die Unterhaltspflicht grundsätzlich bis zur Mündigkeit bestehe, und wenn dann noch keine Erstausbildung ordentlicherweise abgeschlossen werden konnte, dann eben bis zu deren Abschluss. Eine solche Regelung in der Scheidungskonvention würde lediglich die gesetzliche Ordnung des Art. 277 Abs. 2 ZGB wiedergeben und wäre schon deshalb nicht abwegig. Dass der zusätzliche Vorbehalt ebendieser Bestimmung trotzdem nicht überflüssig ist, wurde bereits ausgeführt (vgl. vorstehende Erwägung 2.2). Im Weiteren kann nicht mittels Scheidungskonvention der gesetzliche Unterhaltsanspruch des Kindes, der in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich bis zur Volljährigkeit dauert (und nicht bis zum [vorzeitigen] Abschluss einer Ausbildung [Art. 277 Abs. 1 ZGB]), beschränkt werden. Wäre die fragliche Formulierung tatsächlich verkürzend zu verstehen, könnte damit nur gemeint sein, dass bei Ausbildungsabschluss vor Erlangung der Volljährigkeit die Eltern im Sinn von Art. 276 Abs. 3 ZGB von der Unterhaltspflicht befreit sind, soweit dem Kind zugemutet werden kann, den Unterhalt aus seinem Arbeitserwerb zu bestreiten (vgl. Breitschmid, a.a.O., Rz 31 ff. zu Art. 276, der aber offenbar einen Arbeitserwerb vorwiegend mündigen "Kindern" [Studenten] zuzumuten scheint). Diesfalls wäre dann der in der Konvention ebenfalls enthaltene Vorbehalt von Art. 276 Abs. 3 ZGB tatsächlich überflüssig. Demgegenüber widerspräche die vorbehaltlose Aufhebung der Unterhaltspflicht für den Fall, dass vor Erreichen der Mündigkeit eine Ausbildung abgeschlossen wurde, der gesetzlichen Ordnung des Art. 276 Abs. 3 ZGB, zumal die Erwerbsmöglichkeiten Minderjähriger durch die Arbeitsgesetzgebung zusätzlich eingeschränkt sind (vgl. Art. 29 ff. ArG). Eine solche Vereinbarung wäre demzufolge nicht genehmigungsfähig. Insgesamt spricht - auch angesichts der in Erwägung 2.2 dargestellten bundesgerichtlichen Rechtsprechung - wenig dafür, dass die Eltern in der Scheidungskonvention eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Vereinbarung treffen wollten bzw. überhaupt konnten. Im Übrigen rechtfertigt es sich angesichts des Charakters der Alimentenbevorschussung als (provisorische) Existenzsicherung, an das Vorhandensein eines über die Mündigkeit hinausgehenden Rechtstitels keine überhöhten Anforderungen zu stellen.
Die Rekurrentin 1 hat damit grundsätzlich Anspruch auf elterlichen Unterhalt bis zum ordentlichen Abschluss ihrer Erstausbildung, auch nach Eintritt in die Volljährigkeit. Nachdem die Rekurrentin 1 unbestrittenermassen seit 2011 die Wirtschaftsmittelschule E. besucht (inkl. Praktikum [Rekurs, S. 4]), also zum Zeitpunkt der Erlangung der Volljährigkeit im Juli 2014 noch über keine ordentlicherweise abgeschlossene Ausbildung verfügte, dauert die elterliche Unterhaltspflicht grundsätzlich nach wie vor an. Dies entspricht im Übrigen auch der gesetzlichen Regelung für die Ausbildungszulagen (Art. 3 Abs. 1 lit. b FamZG), wobei hier die Limitierung auf das 25. Altersjahr an die Stelle des Zumutbarkeitskriteriums tritt. Dass dem unterhaltspflichtigen Vater die Bezahlung der in der Konvention festgelegten Unterhaltsbeiträge von monatlich Fr. 900.-- (bzw. indexiert etwas mehr) über die Volljährigkeit hinaus nicht zumutbar wäre, wird von der Vorinstanz nicht behauptet. Auch aus den Akten ergeben sich keinerlei Hinweise auf eine derartige - heute noch andauernde - Unzumutbarkeit. Zwar hatte der Vater der Rekurrentin 1 im Jahr 2010 Schulden, was zu einer Schuldensanierung durch das Sozialamt führte (act. G 1.4). Dies fiel jedoch in die Zeit, als der Unterhaltsschuldner seine IDC Werbeagentur (wohl infolge schlechten Geschäftsgangs) aufgab und per 4. März 2010 aus dem Handelsregister löschen liess (vgl. online-Handelsregisterauszug, abgerufen am
12. Februar 2015). Mittlerweile ist er jedoch nach eigenen Angaben als Communications-Manager bei den G. Versicherungen tätig (vgl. Linkedin-Profil [act. G 5.1]). Im Übrigen werden Unterhaltsbeiträge während der Ausbildung nicht durch vorübergehende finanzielle Engpässe unzumutbar. Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass die Rekurrentin 1 bis zum ordentlichen Abschluss ihrer Erstausbildung über einen Unterhaltstitel verfügt, weshalb kein Revisionsgrund vorliegt. Demzufolge ist auch die Alimentenbevorschussung bis zum Abschluss der Erstausbildung bzw. maximal bis zur Vollendung des 25. Altersjahrs zu leisten (Art. 2 Abs. 1 GIVU).
4.
Nach dem Gesagten ist der Rekurs gutzuheissen und die angefochtene Verfügung aufzuheben. In kantonalrechtlichen Verfahren hat in Streitigkeiten jener Beteiligte die Kosten zu tragen, dessen Begehren ganz teilweise abgewiesen werden (Art. 95 Abs. 1 VRP). Vom Gemeinwesen werden in der Regel keine amtlichen Kosten erhoben,
wenn es nicht überwiegend finanzielle Interessen verfolgt (Art. 95 Abs. 3 VRP). Zwar hat die Leistungsverwaltung in der Regel - wie auch vorliegend - finanzielle Auswirkungen, trotzdem ist hier nicht von überwiegend finanziellen Interessen im Sinn der genannten Bestimmung auszugehen. Es sind demzufolge keine Gerichtskosten zu erheben.
Ausgangsgemäss haben die Rekurrentinnen, die eine Parteientschädigung verlangt haben, Anspruch auf Ersatz ihrer ausseramtlichen Kosten (Art. 95 Abs. 1 i.V.m. Art. 98 Abs. 2 VRP). In der Verwaltungsrechtspflege beträgt das Honorar vor Versicherungsgericht nach Art. 22 Abs. 1 lit. b HonO (sGS 963.75) pauschal Fr. 1'000.-- bis Fr. 12'000.--. Im vorliegenden Fall erscheint eine Entschädigung für das Rekursverfahren vor Versicherungsgericht von pauschal Fr. 2'500.-- (inkl. Barauslagen und Mehrwertsteuer) als angemessen.
Demgemäss hat das Versicherungsgericht im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP entschieden:
In Gutheissung des Rekurses wird die angefochtene Verfügung vom 16. Juli 2014
aufgehoben.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
Die Vorinstanz hat die Rekurrentinnen mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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